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Prozessraum unter Aufsicht: Was sensible Fertigungen voraussetzen

Wo Produkte nicht einfach montiert, sondern im Mikrometerbereich gefertigt werden, entscheidet nicht die Maschine allein über die Qualität – sondern das Umfeld. In sensiblen Produktionsbereichen wie Halbleiterfertigung, Pharmatechnik oder Medizingerätebau kann bereits ein einziges Partikel die komplette Charge unbrauchbar machen. Fehlerquellen liegen dort, wo sie nicht gesehen werden: in der Raumluft, an Kleidung, auf Werkzeugen oder innerhalb automatisierter Prozesse. Deshalb beginnt Sicherheit nicht beim Produkt, sondern beim Prozessraum. In diesem Beitrag zeigen wir, was moderne Fertigungsbereiche leisten müssen, um Auditierbarkeit, Qualität und Produktionssicherheit zu gewährleisten – und warum Reinraumreinigung dabei zwar nur ein Teilaspekt, aber ein unverzichtbarer ist.


Räume, die mitproduzieren: Warum Infrastruktur ein Risikofaktor ist

Hochsicherheitsbereiche müssen mehr können als nur sauber wirken. Sie müssen Risiken vorhersehen, überwachen und dokumentieren können. Eine zentrale Rolle spielt dabei die technische Infrastruktur: Luftfiltersysteme, differenzierter Luftdruck, kontinuierliche Partikelüberwachung und die richtige Luftführung. Temperatur, Feuchtigkeit und sogar elektrostatische Ladungen müssen kontrolliert werden.

Das Ziel ist nicht bloß Sauberkeit, sondern Reproduzierbarkeit. Wenn Produktionsbedingungen schwanken, steigt das Risiko für Ausschuss.

Einige der häufigsten Fehlerquellen in sensiblen Bereichen:

  • Luftverwirbelungen durch falsche Anordnung von Geräten oder Personalwegen

  • Rückstände durch unsachgemäße Oberflächenreinigung

  • Kontamination durch Kleidung oder nicht freigegebene Materialien

  • Mangelhafte Protokollierung von Störungen und Maßnahmen

  • Veraltete oder falsch kalibrierte Sensorik im Raum

Menschen im System: Der Faktor Personal

Technik ist kontrollierbar – der Mensch nicht. Das Personal stellt den größten Unsicherheitsfaktor in Hochsicherheitsbereichen dar. Jeder Handgriff zählt. Ein falsch getragenes Haarnetz, eine Tür, die zu lange offen steht oder ein nicht dokumentierter Zwischenfall – all das kann zur Ablehnung ganzer Chargen führen.

Aus diesem Grund werden Mitarbeitende in sensiblen Fertigungen regelmäßig geschult. Nicht nur im Umgang mit Geräten, sondern auch in Verhaltensstandards: Wie wird ein Raum korrekt betreten? Welche Reihenfolge gilt beim Anlegen der Schutzkleidung? Was ist bei Materialübergaben zu beachten?

🔸 Wichtige Regeln für Personal in kontrollierten Bereichen

  • Zutritt nur nach dokumentierter Schulung

  • Schutzkleidung gemäß Raumklasse – in exakter Reihenfolge

  • Kein Schmuck, keine Kosmetika, keine Privatgegenstände

  • Bewegungen minimieren – jede Bewegung wirbelt Partikel auf

  • Kommunikation auf das Nötigste beschränken

  • Hände desinfizieren – auch mit Handschuhen

  • Protokollierung aller Auffälligkeiten

reinraumreinigung und qualitaetssicherung durch personal an produktionslinie im iso zertifizierten bereich

Standardisierung statt Vertrauen: Zertifizierungen & Audits

Ein Reinbereich ist kein abgeschlossener Raum – sondern ein durchgängiges System. Dieses System muss jederzeit belegbar funktionieren. ISO-Normen wie die ISO 14644-1 oder die GMP-Richtlinien definieren exakte Anforderungen an Luftreinheit, Protokollierung und Betriebskontrollen.

Externe Audits prüfen nicht nur technische Standards, sondern auch die Umsetzung im Alltag. Dokumentation spielt dabei eine zentrale Rolle. Wer auf Nachfrage keine vollständige Nachverfolgbarkeit liefern kann, verliert Vertrauen – und im schlimmsten Fall die Freigabe.

🧾 Checkliste: 10 Faktoren für stabile Produktionsbedingungen in sensiblen Bereichen

Voraussetzung für sichere Prozessumgebungen
◻️ Zertifizierte Lüftungssysteme mit Filterstufen HEPA oder ULPA – gemäß ISO 14644, mit klar definierten Wartungsintervallen.
◻️ Dauerhafte Differenzdrucküberwachung – inklusive Alarmierung und Aufzeichnung, um Raumzonen voneinander zu trennen.
◻️ Reproduzierbare Reinigungsprotokolle – mit validierten Verfahren, speziell geschultem Personal und kontinuierlicher Wirksamkeitskontrolle.
◻️ Lückenlose Dokumentation aller Raumparameter – automatisiert erfasst, manipulationssicher gespeichert und jederzeit auditfähig.
◻️ Personal mit spezifischer Raumklassenschulung – inklusive Verhaltenstrainings und jährlicher Nachqualifizierung.
◻️ Eindeutige Zonierung innerhalb des Prozessraums – mit klaren Regeln für Material- und Personenfluss.
◻️ Kontrollierte Materialfreigabe – alle eingesetzten Produkte, Werkzeuge und Hilfsmittel müssen dokumentiert freigegeben sein.
◻️ Validierte Desinfektions- und Reinigungsmittel – kompatibel mit sensiblen Oberflächen und normgerecht eingesetzt.
◻️ Einwandfreie Funktionsprüfung der Messsysteme – inklusive Rückführbarkeit und regelmäßiger Kalibrierung.
◻️ Schnelles Eskalationsmanagement bei Störungen – mit definierten Abläufen, Protokollierung und korrektiver Sofortmaßnahme.

In kontrollierten Produktionsumgebungen ist die Reinigung kein unterstützender Service, sondern ein integraler Bestandteil des Systems. Die Reinraumreinigung sorgt zuverlässig dafür, dass die festgelegten Bedingungen jederzeit eingehalten werden – unabhängig vom Wochentag, der Belegung oder der Raumfunktion.

Alle eingesetzten Mittel und Verfahren sind standardisiert, das Personal speziell geschult und die Maßnahmen vollständig dokumentiert. Durch regelmäßige mikrobiologische und partikuläre Kontrollen wird die Wirksamkeit dauerhaft überprüft.

So entsteht eine kontrollierte Umgebung, die nicht nur für Audits standhält, sondern auch langfristig gleichbleibende Qualität sicherstellt.

reinraumreinigung von edelstahloberflaeche mit wischtechnik im hochsicherheitsbereich


🎤 Interview: „Was man nicht messen kann, kann man nicht kontrollieren“

Gesprächspartner: Dipl.-Ing. Markus R., unabhängiger Auditor und Validierungsexperte mit über 15 Jahren Erfahrung in der Auditierung sensibler Produktionsumgebungen (GMP, ISO 14644, FDA)

Herr R., worauf achten Sie zuerst, wenn Sie eine kontrollierte Fertigungsumgebung betreten?

Auf den Umgang mit Vorschriften – also ob das Verhalten im Raum den gültigen SOPs entspricht. Stimmen Kleidung, Zutrittsprotokoll, Bewegungsverhalten? In einem gut geführten Bereich ist Regelkonformität keine Frage der Kontrolle, sondern der Routine. Das fällt sofort auf.

Welche Rolle spielt die Reinraumreinigung aus Ihrer Sicht?

Eine sehr zentrale. Sie ist kein Hilfsprozess, sondern ein fester Bestandteil der Qualitätssicherung. Die Reinraumreinigung sorgt dafür, dass das Umfeld seine definierten Eigenschaften über lange Zeit beibehält – stabil, dokumentiert und reproduzierbar. Ohne sie würde jeder weitere Qualitätsprozess ins Leere laufen. Und in guten Unternehmen ist sie genauso präzise organisiert wie die Produktion selbst.

Wie sieht das im Idealfall aus?

Standardisierte Abläufe mit freigegebenen Reinigungsmitteln, validierten Techniken und klar dokumentierten Intervallen. Die Reinigungskräfte sind speziell geschult, oft fest im Unternehmen eingebunden. Sie kennen die Raumklassen, wissen, wo sensible Zonen sind, und führen jede Maßnahme mit der nötigen Sorgfalt durch. In solchen Fällen sehe ich regelmäßig sehr stabile Messergebnisse über viele Monate hinweg.

Woran erkennt man, dass die Abläufe auch im Alltag funktionieren?

An der Konsistenz. Wenn Partikelzahlen, Luftparameter und mikrobiologische Werte stabil bleiben – auch nach Schichtwechseln, nach Umbauten oder bei temporären Mehrbelastungen. Das zeigt: Die Prozesse sind belastbar. Und die Reinraumreinigung trägt entscheidend dazu bei, dass dieses Niveau gehalten werden kann.

Was raten Sie Unternehmen, die ihre Abläufe optimieren möchten?

Beginnen Sie bei der Umgebung. Produktionsqualität hängt direkt mit Prozessumgebung zusammen – nicht nur bei der Herstellung, sondern bei jedem Schritt davor und danach. Eine kontrollierte, dokumentierte Umgebung schafft Vertrauen. Und eine systematische, fachgerechte Reinraumreinigung sichert diesen Zustand Tag für Tag. Wer das konsequent umsetzt, hat langfristig die besseren Ergebnisse – technisch wie wirtschaftlich.


Prozesse, die mitdenken

Je sensibler das Produkt, desto mehr denkt der Raum mit. In High-End-Fertigungen ist der Prozessraum nicht nur ein Behälter für Geräte, sondern ein aktiver Bestandteil des Qualitätsprozesses. Vom Luftfilter bis zur Protokollierung muss alles nahtlos ineinandergreifen.

Wo Qualität nicht mehr am Ende geprüft, sondern im Vorfeld gesichert wird, entsteht echte Produktionssicherheit – nicht durch Vertrauen, sondern durch System.

Bildnachweis: Marut, Jouni, Aditya / Adobe Stock